SINFONIEKONZERTE

 

1. SINFONIEKONZERT
DIENSTAG, 15. NOVEMBER 2022

 

Joseph Haydn: Ouvertüre aus DIE SCHÖPFUNG
Anna Thorvaldsdottir: CATAMORPHOSIS
Igor Strawinsky: LE SACRE DU PRINTEMPS. Tableaux de la Russie païenne en deux parties
(Die Frühlingsweihe. Bilder aus dem heidnischen Russland in zwei Teilen)

„Der Musik von Anna Thorvaldsdottir zuzuhören
ist wie Island selbst zu hören.“
(Financial Times)

Explosive Fragilität: Von der Verschiebung der Erdplatten
zum Tanz der Erde Strawinskys. Am Ende tanzt das Opfer.

Solistin Maria Kochetkova (Tänzerin)
Dirigent André de Ridder

DIE SCHÖPFUNG von Joseph Haydn bildet die Klammer um diese Konzertsaison. Daher steht auch
die Ouvertüre seines epochalen Werkes an deren Beginn. Haydn beschreibt darin das Chaos, ein
amorphes Nichts, in dem alles enthalten, aber noch nichts erkennbar ist – außer vielleicht dem
über allem schwebenden gestaltenden Licht.
Bewahren und Zerstören, Hoffnung und Verzweiflung, Macht und Zerbrechlichkeit sind die Pole
zwischen denen CATAMORPHOSIS der isländischen Komponistin Anna Thorvaldsdottir hin- und
herpendelt. Die Zerbrechlichkeit der Beziehung zur Erde und das intensive Gefühl, es könnte zu
spät sein, prägen die Musik dieses emotionalen Stückes.
Starke Gefühle spielen auch in LE SACRE DU PRINTEMPS von Igor Strawinsky eine große Rolle.
Strawinsky widmete sich in seinem Ballett den archaischen Anbetungs- und Opferriten der heidnischen
Zeit, die einst einer guten Ernte dienen sollten. Das vielleicht berühmteste Stück des
20. Jahrhunderts, das der Komponist für die Ballets Russe in Paris schrieb, erhitzte in seiner archaischen
Schonungslosigkeit und seiner Intensität damals die Gemüter. Strawinsky ließ alte russische
Volksweisen und Bräuche in die Musik einfließen. Am Ende bleibt ein ekstatischer, in sich kreisender
Trancetanz des Opfers, der am Schluss von den Orchesterbässen mit den Tönen D-E-A-D
kommentiert wird.

 

2. SINFONIEKONZERT
DIENSTAG, 20. DEZEMBER 2022

 

Maurice Ravel: MA MÈRE L’OYE
Peter Tschaikowsky: VARIATIONEN ÜBER EIN ROKOKO-THEMA für Violoncello und Orchester in A-Dur, op. 33
Unsuk Chin: MAD HATTER'S TEA PARTY aus ALICE IN WONDERLAND
Peter Tschaikowsky: Ausschnitt aus DER NUSSKNACKER

„Es ist die Stimmung der Musik, die den Hörer in die Traumwelt der Märchen eintauchen lässt.“
(Gerd Albrecht über MA MERE L'OYE)

Mutter Gans trifft den Nussknacker, Alice den verrückten Hutmacher. Und dann entscheiden Sie, was Sie hören möchten: Tschaikowskys Rokoko Variationen oder Haydns Cellokonzert.

Solistin Tanja Tetzlaff (Violoncello)
Dirigentin Tianyi Lu

Mit einem märchenhaft inspirierten Programm zur Vorweihnachtszeit wartet das zweite Sinfoniekonzert
auf: Peter Tschaikowskys populäre Vertonung der Geschichte vom NUSSKNACKER, der sich
in einen schönen jungen Prinzen verwandelt, ist inzwischen fester Bestandteil vorweihnachtlicher
Konzerte.
In ihrer feinsinnig orchestrierten Oper ALICE IN WONDERLAND nach dem Buch von Lewis Carroll
interessierte sich die koreanische Komponistin Unsuk Chin weniger für das Märchenhafte des Stoffes,
als für die veränderten physikalischen Gesetze. In MAD HATTER’S TEA PARTY geht es um die
Aufhebung der Zeit. Für seinen „Mord an der Zeit“, den der verrückte Hutmacher durch seinen Gesang
vor der Königin der Herzen beging, wurde er zu einem Stillstand der Zeit verurteilt. Seitdem
feiert er eine unendliche Teaparty mit absurden Rätseln und unsinnigen Gedichten.
In seiner zauberhaften, subtilen Sammlung verschiedener vertonter Geschichten lässt Maurice
Ravel Dornröschen, den Kleinen Däumling, die Kaiserin von den Pagoden und die Schöne und das
Biest musikalische Gestalten annehmen. Diesen Figuren aus einer Märchensammlung von Charles
Perrault mit dem Untertitel CONTES DE MA MÈRE L’OYE (dt. Geschichten von meiner Mutter, der
Gans) und Motiven aus Märchen von Marie-Catherine d’Aulnoy und Jeanne-Marie Leprince de
Beaumont verleiht Ravel eine jeweils eigene, detail- und farbenreiche Klangwelt.

 

 

3. SINFONIEKONZERT
DIENSTAG, 24. Januar 2023

 

Galina Ustwolskaja: DAS LICHT DER STEPPE – Sinfonische Dichtung
Peter Iljitsch Tschaikowsky: Konzert für Violine und Orchester in D-Dur op. 35
Dmitrij Schostakowitsch: Sinfonie Nr. 5 in d-Moll op. 47

„Ich gebe alle Kräfte, zu Gott flehend, für mein Schaffen; ich habe mein Schaffen, meine Musik, nur meine!“
(Galina Ustwolskaja)

In der Not stiftet Musik Hoffnung und befreiende Kraft, existentiell in Zeiten von künstlerischer Zensur, in der Vergangenheit wie in der Gegenwart.

Solist Jonian Ilias Kadesha (Violine)
Dirigent Ektoras Tartanis

Galina Ustwolskaja war Kompositionsschülerin von Dmitrij Schostakowitsch, der große Stücke auf
sie hielt: „Ich bin überzeugt, dass die Musik Galina Ustwolskajas weltweite Anerkennung finden
wird bei allen, die der Wahrhaftigkeit in der Musik entscheidende Bedeutung beimessen.“ Ihre
Sinfonische Dichtung DAS LICHT DER STEPPE ist ein Auftragswerk und schildert die Arbeit junger
Menschen im Brachland der Steppe.
Virtuos und lyrisch ist das einzige Violinkonzert von Peter Tschaikowsky, dem Poesie und Seelentiefe
gleichzeitig zugesprochen wurden. Die Komposition, die zu einem der berühmtesten Konzerte
überhaupt wurde, schrieb Tschaikowsky in einer kleinen Pension am Nordufer des Genfer Sees.
Das „Werden der Persönlichkeit“ sah Dmitrij Schostakowitsch als das eigentliche Thema seiner
5. Sinfonie. In ihr griff er zurück auf die romantische Form der viersätzigen Sinfonie, die sich
„durch Nacht zum Licht“ entwickelt. Ob der triumphale Schluss jedoch nicht einer der für
Schostakowitsch so typischen ironisch-bitteren, doppelbödigen Hinweise ist? Dem Komponisten
selbst war es jedenfalls wichtig zu betonen, dass seine vom Publikum bejubelte Sinfonie ihrem
„Charakter nach vom Anfang bis zum Schluss lyrisch ist.“

 

 

4. SINFONIEKONZERT
DIENSTAG, 14. Februar 2023

Judith Weir: NATURAL HISTORY für Sopran und Orchester
Richard Strauss: EINE ALPENSINFONIE, op. 64

„Ich hab’ einmal so komponieren wollen, wie die Kuh die Milch gibt.“
(Richard Strauss)

Der spätromantische musikalische Gipfelsturm schlechthin triff auf fernöstliche zen-buddhistische Naturphilosophie.

Solistin Caroline Melzer (Sopran)
Dirigent 
André de Ridder

Judith Weir, britische Komponistin mit schottischen Wurzeln, war bereits früh fasziniert von
antiker chinesischer, besonders taoistischer Literatur. Sie bewundert die Klarheit, Leichtigkeit und
Weisheit dieser Texte und sah den Taoismus lange Zeit als sehr hilfreich für die Führung eines modernen
Lebens an. Die Texte zu ihrem Werk NATURAL HISTORY entnahm sie einer Sammlung, die
aus dem zweiten bis vierten Jahrhundert stammt und dem Meister Chuang-Tzu zugeordnet wird.
In dieser Komposition erzählt Weir Geschichten und entfaltet opulenten Orchester- und Stimmklang
gleichermaßen. Ihre Musik erzählt vom Unterschied wilder und gezähmter Pferde, von
einem armen Sänger, der in seiner außergewöhnlichen Stimme besonderen Reichtum besaß, von
einem Schwimmer, der von der schlichten Meisterschaft der Wellen erzählt und von einem riesigen
Zwitterwesen, einer Mischung zwischen Fisch und Vogel, das an moderne Flugzeuge erinnert.
Die ALPENSINFONIE von Richard Strauss entstand in 13jähriger Komponierarbeit und schildert
vordergründig eine Wanderung durch die Herrlichkeit der alpenländischen Natur. Die Musik führt
an zweiundzwanzig Stationen vorbei. Nach der Schilderung des Sonnenaufgangs geleitet sie die
Hörenden zu Almen, Wasserfällen oder Gletschern, durch Dickicht, aufziehendes Gewitter und
zum Glücksempfinden beim Erreichen des Berggipfels. Diese aufwendige orchestrale „Anbetung
der ewigen, herrlichen Natur“ ist jedoch mehr als eine Naturschilderung in Tönen. Für den Naturund
Alpenliebhaber Strauss war sie Ausdruck der Empfindungen beim Erleben der Natur. Dieses
Erleben sollte den Menschen über das Christentum hinaus zu einer übergeordneten spirituellen
Kraft führen.

 

5. SINFONIEKONZERT
DIENSTAG, 28. März 2023

 

Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 6 PASTORALE in F-Dur, op. 68
Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 5 in c-Moll, op. 67

„Ich will dem Schicksal in den Rachen greifen, ganz niederbeugen soll es mich gewiss nicht.“
(Ludwig van Beethoven)

Die zwei bekanntesten Sinfonien Beethovens an einem regelrechten Blockbuster-Abend: Beschleunigung und Entschleunigung vom Komponisten nebeneinander konzipiert.
Vom Philosophen Markus Gabriel kommentiert.

Solist Markus Gabriel (Philosoph)
Dirigent André de Ridder

Der Philosoph Markus Gabriel wurde 2009 als jüngster Professor an den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie
und Philosophie in Bonn berufen. Als Direktor des Center for Science and Thoughts engagiert
er sich international für den interdisziplinären Austausch von Philosophie und Naturwissenschaften
und nachhaltige Lösungen für drängende Fragen der Gegenwart. Gabriel gehört zu den
bekanntesten Vertretern des „Neuen Realismus“, welcher Teil seines übergeordneten Projekts einer
„Neuen Aufklärung“ ist. Er ruft alle auf, sich daran zu beteiligen: „Hören wir den Weckruf? Oder
fallen wir bald wieder übereinander her wie raffgierige Raubtiere? Es liegt an uns. Der Mensch ist
frei.“
Ludwig van Beethoven war glühender Verfechter der menschlichen Freiheit, der Ideen der Aufklärung
und zeigte großes Interesse an der Philosophie von Immanuel Kant. Diese Ideale und
Beethovens philosophisches Interesse schlugen sich auch in seinem Kompositionsstil nieder. Besonders
bei der 5. und 6. Sinfonie, die als Werkpaar entstanden und auch schon bei ihrer Uraufführung
in einem Konzertprogramm erklangen, lässt sich eine entsprechende Wandlung seiner
Musikästhetik erkennen.
Markus Gabriel, der in diesem Konzert zu Gast sein wird, wird die Beziehungen zwischen Immanuel
Kants Philosophie und der Musik Beethovens darlegen. Denn auch heute sind die Themen, mit denen
sich Beethoven in seinen Werken auseinandersetzte, aktueller denn je. Daher plädiert Gabriel
auch für einen „aufgeklärten Humanismus“, der das Vermögen des Menschen, kritisch zu reflektieren
und „die Frage nach seinem Wesen immer wieder neu zu stellen“, wieder ins Zentrum setzt.

 

 

6. SINFONIEKONZERT
DIENSTAG, 25. APril 2023

 

Germaine Tailleferre: LE MARCHAND D’OISEAUX, Ballettmusik
Richard Strauss: Konzert für Oboe und kleines Orchester in D-Dur, TrV 292
Lili Boulanger: D' UN SOIR TRISTE
Claude Debussy: LA MER. Drei symphonische Skizzen für Orchester

„Die Musik ist eine geheimnisvolle Mathematik, deren Elemente Teil des Unendlichen sind. Sie bestimmen die Bewegungen des Wassers, das spielerische Auf und Ab der wechselnden Winde.“
(Claude Debussy)

Spüren Sie das Salz auf der Zunge? Niemand hat das Meer eindrücklicher
musikalisch heraufbeschworen als Claude Debussy.

Solist Andreas Hölz (Oboe)
Dirigent
Gerhard Markson

Germaine Tailleferre war Mitglied der berühmten Komponistengruppe LE GROUPE DES SIX, die
sich in den 1920er Jahren auf die Suche nach einer antiromantischen, spezifisch französischen
Musik begab. Ihr einaktiges Ballett LE MARCHAND D’OISEAUX mit der Geschichte zweier unterschiedlicher
Schwestern, hochmütig die eine, bescheiden die andere, schrieb sie für die experimentierfreudigen,
innovativen Pariser Ballets Suédois.
Eines der wichtigsten Werke für Oboe und Orchester entstand als „Handgelenksübung“. Richard
Strauss schrieb sein Oboenkonzert im Sommer 1945, „um die Langeweile müßiger Stunden zu vertreiben,
da man nicht den ganzen Tag Skat spielen kann“. In diesem kammermusikalisch gehaltenen
Werk blickt Strauss zurück auf sein Leben. Heiter und gelassen – und gleichzeitig eine der
größten Herausforderungen für die scheinbar unendlich singende Solooboe.
D' UN SOIR TRISTE (von einem traurigen Abend) ist eine der beiden Kompositionen, die Lili
Boulanger kurz vor ihrem viel zu frühen Tod schrieb. Es ist ein impressionistisches Stück voll Farbigkeit
und Vielfalt und lässt den nahen Abschied der französischen Komponistin von der Welt
bereits ahnen. Wäre es nach seinem Vater gegangen, wäre Claude Debussy kein Komponist, sondern Matrose geworden.
In LA MER fasst er seine besondere Beziehung zum Meer und seine Erinnerungen daran in
farbige, subtile Orchestermusik. „... dies ist die schönste Entwicklungslehre, festgehalten in jenem
Buch, das die Musiker viel zu selten lesen, im Buch der Natur.“ (Claude Debussy)

 

 

7. SINFONIEKONZERT
DIENSTAG, 23. MAI 2023

 

Gorillaz/Damon Albarn: PLASTIC BEACH ORCHESTRAL INTRO
Richard Reed Parry & Bryce Dessner: WAVES MOVEMENTS (mit einem Film von Hiroshi Sugimoto)
Gustav Holst: DIE PLANETEN (THE PLANETS SUITE) op. 32

„Meine Musik «Die Planeten» lässt die ungeheure Weite des Weltalls begreifen, wo rationales Verständnis versagt.“
(Gustav Holst) 

Von Ozeanen, Planeten und Gezeiten in ihrer Wechselwirkung.
Als Highlight die Musik, die John Williams für seine sämtlichen Filmmusiken
von Star Wars bis Jurassic Park inspiriert hat.

Chor Damen des Opern- und Extrachores des Theater Freiburg
Dirigent André de Ridder

Gorillaz ist eine virtuelle Band, die aus den typisch kantigen Cartoon-Figuren besteht, die ausschließlich auf dem Bildschirm zu sehen sind. Dahinter steckten der Frontmann der Band Blur, Damon Albarn, und der Komik-Künstler Jamie Hewlett. Das dritte Album der Band, PLASTIC BEACH, sollte „katastrophal, riesig und ozeanisch“ ausfallen und widmet sich dem Umgang der Menschen mit den Unmengen an selbstproduziertem Plastikmüll. Die orchestrale Einleitung ist das erste Stück dieses Albums, an dem zahlreiche Gäste mitgewirkt haben.

An die ewigen Zyklen der Meere und die unendliche Bewegung der Wellen erinnert WAVES MOMENTS, eine Komposition von Richard Reed Parry und Bryce Dessner. Als Gerüst benutzten die beiden Originalaufnahmen von unterschiedlichen Küsten der vier Weltmeere.

Gustav Holst wurde vor allem für ein Stück bekannt, DIE PLANETEN. In dieser Orchestersuite an der Schwelle von der Romantik zur Moderne fasst Holst, der sich sehr für Mystik und fremde Kulturen begeisterte, sein Interesse für Astrologie in Musik. Sieben Planeten und sieben Charaktere mit ihren besonderen Eigenschaften beschreibt er darin und ordnet sie in der Abfolge des Tierkreiszeichens an. Das reicht von der Willensstärke und der Eigensinnigkeit des
Mars über den Liebreiz der Venus bis zum geheimnisvollen, sensiblen Neptun.

 

 

8. SINFONIEKONZERT
DIENSTAG, 20. Juni 2023

 Joseph Haydn: DIE SCHÖPFUNG
Liza Lim: EXTINCTION EVENTS AND DAWN CHORUS

Die Musik hat eine Kraft der Darstellung, welche alle Vorstellung
übertrifft; man wird hingerissen, sieht der Elemente Sturm,
sieht es Licht werden ...“ (Neuer teutscher Merkur; 1798)

Haydns Feier der Schöpfung schlechthin, und dazu Liza Lims eindringlicher
Kommentar zu unserer selbstgemachten Gefährdung derselben: Das Freiburger
Ensemble Recherche trifft auf das Philharmonische Orchester Freiburg.

Gäste Ensemble Recherche, Camerata Vocale (Einstudierung Winfried Toll), Opernchor des Theater Freiburg (Einstudierung Norbert Kleinschmidt)
Solistin N.N.
Dirigent André de Ridder

In diesem Konzert stehen sich die beiden zusammengehörenden Kräfte des Werdens und Vergehens,
Extinction und Creation direkt gegenüber: Liza Lim vereint in ihrer Musik abendländische,
asiatische und australische Kulturen. Die australische Komponistin mit chinesischen Wurzeln beschäftigt
sich intensiv mit den Schriften des Philosophen Timothy Morton, der darauf hinweist, dass
Klimawandel und Massensterben ein neues Denken erfordert. Wirkungen, die so komplex sind,
dass sie mit dem bisherigen linearen Denken nicht erfasst werden können, fordern uns auf, das
bisherige Verständnis davon, was „Wissen“ bedeutet, zu hinterfragen. In ihrer Komposition
EXTINCTION EVENTS AND DAWN CHORUS gibt Lim dem Kreislauf des Vergehens und Vergessens
musikalisch Ausdruck: Da gibt es die in sich drehenden Strudel des Plastikmülls in den Meeren,
eine uralte chinesische Sternenkarte, die verlorenes Wissen beinhaltet, den Paarungsruf eines ausgestorbenen Vogels, der nie wieder beantwortet werden wird, oder bitter-ironische Zitate vergessener Musik.
Joseph Haydn hatte 1798 noch einen anderen Blick, den der Aufklärung, auf Welt und Natur und
die Hoffnung, dass der Mensch „mit Würd und Hoheit“ ausgezeichnet sei. In seinem groß angelegten
Oratorium DIE SCHÖPFUNG lässt Haydn drei Erzengel vom Wunder der Schöpfung Gottes
berichten. Sie geben Zeugnis ab vom Entstehen der Welt aus dem Chaos. Haydns Musik malt aus
ihren Worten das helle Leuchten des Lichts, das Entstehen des Wetters mit Donner und Regen, das
Beleben der Erde mit Fischen, Vögeln und Landtieren. Im dritten Teil der SCHÖPFUNG erscheint
mit Adam und Eva der Mensch, der Gottes Werke lobt und preist. Der Erzengel Uriel gibt den beiden
noch eine Mahnung mit auf den Weg: sie werden so lange glücklich sein, solange sie nicht mehr
haben oder wissen wollen als ihnen zusteht. Für Haydn ist es noch selbstverständlich, dass über
dem Menschen eine größere Kraft steht, die es zu respektieren gilt.